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Träume, Kulissen und fliegende Wörter

  

Schullesung mit Alida Bremer im Rahmen des Lyrikertreffens 2022 im Hittorf-Gymnasium

Am Freitag, dem 20.05.2022, fand im Rahmen des Lyrikertreffens der Stadt Münster eine Schullesung mit Alida Bremer am Wilhelm-Hittorf-Gymnasium statt.

Die in Münster lebende Autorin Alida Bremer las zunächst einige ihrer Gedichte aus den Zeitschriften „Wespennest“ und „Manuskripte“. Ihre Gedichte „Fischreiher" und „Der kleine Hafen“ begeisterten die Schüler:innen der EF und Q1 besonders und warfen viele Fragen auf. So wollten die Schüler:innen wissen, ob Alida Bremer immer reimlos schreibe, ob sie literarische Vorbilder habe, ob sie in ihrer Muttersprache Kroatisch oder in Deutsch schreibe. Frau Bremer, die erst mit 26 Jahren Deutsch gelernt hat, schreibt ihre Texte auf Deutsch und berichtete aus ihrer Übersetzungstätigkeit, z.B. beim Übersetzen des Dichters Delimir Rešicki, dass es schwierig bis unmöglich sei, deutsche Entsprechungen für Schimpfwörter und Redensweisen aus dem Kroatischen zu finden. Sie erzählte anhand ihres Hafengedichts auch, dass Kinder in Kroatien keine Wassergewöhnung im Schwimmbad erhalten, sondern wie ihr Sohn einfach ins Wasser geworfen werden, weil alle Menschen, die am Meer wohnen, davon ausgehen, dass es Zeit sei, im Alter von 3 oder 4 das Schwimmen zu beherrschen.

Die Schüler:innen interessierten sich dafür, wie sich die Texte allmählich von gesammelten Eindrücken zur Kunstform entwickeln. Alida Bremer erklärte, warum sie auf Reime verzichtet, und dass Rilke ein wichtiger Autor für sie sei. Insbesondere sein Gedicht „Orpheus. Eurydike.Hermes“ habe eine besondere Bedeutung für sie. Auch in ihrem Roman „Träume und Kulissen“, der in Split – ihrer Heimatstadt - spielt, gibt es eine Passage, die sich auf dieses Gedicht Rilkes bezieht und die Frau Bremer den Schüler:innen vorlas.

Für alle Münsteraner Lyrik-Begeisterte ist es eine hoffnungsvolle Nachricht, dass der „Fliegende Wörter“-Kalender neuerdings von Alida Bremer, Andrea Grewe und Ulla Hahn redigiert wird, und nach dem plötzlichen Tod von Hiltrud Herbst im Münsteraner Daedalus-Verlag weiterhin erscheinen wird. Frau Bremer las aus diesem Kalender das dieswöchige Gedicht von Fernando Pessoa über den Knoten im Taschentuch.

Sie ließ ihre Zuhörer:innen teilhaben an den Schritten ihres Schreibens mit anderen Autor:innen zum Beispiel anhand der vom Literaturhaus Stuttgart gestellten Aufgabe der „stillen Post“, einem internationalen Projekt, bei dem ein:e Dichter:in wie in dem Kinderspiel anfängt, statt zu flüstern, einen Text in ihrer jeweiligen Sprache zu schreiben und weitere Lyriker:innen immer jeweils mit der Folgeübersetzung weiterarbeiten, sodass bei der letzten Übersetzung etwas komplett Anderes entstehen wird.

Für die Zuhörer:innen besonders beeindruckend war ihr Akrostichon „Give peace a chance“ über Mariupol, das innerhalb der Plattform „literaturoutdoors“ entstanden ist und auf der Lyriker:innen aus aller Welt Gedichte mit der Überschrift „Give peace a chance“ geschrieben und veröffentlicht haben, um gegen den Krieg in der Ukraine ein Zeichen zu setzen.

Alida Bremer beschrieb, was für ein Glück es ist, zu übersetzen, zu schreiben und eine eigene literarische Ausdrucksform zu finden. Diese Schullesung war ein gelungenes Beispiel dafür. Sie ermutigte die Schüler:innen, das Schreiben zu wagen und zu erproben, und gab Tipps zur Veröffentlichung.

Wir danken Alida Bremer für diese Lesung, ihre Offenheit und Geduld im Gespräch, dem Kulturamt der Stadt Münster und den künstlerischen Leitern des Lyrikertreffens, Aurélie Maurin und Ulf Stolterfoht, für die Ermöglichung dieses spannenden Vormittags.

A. Follak

 

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Foto: Copyright Carola Loeser